Leben mit Saarloos Wolfhond Nisha
...der Anblick eines SWHs ist für mich wie das Schnurren einer Katze....
Ich möchte in diesem Artikel über meine ersten Erfahrungen mit dem Saarlooswolfhond berichten, wie wir die Rasse entdeckt haben und warum wir uns dafür entschieden haben. Insbesondere jedoch möchte ich über das Zusammenleben mit unserer ersten Saarloos Hündin Nisha (Be Nisha von der Göttinger Breede) erzählen.
Ich werde oft gefragt: Ist ein SWH ein normaler Hund oder ist er anders? Hmmm....ich muß immer noch überlegen, was ich darauf antworte. Einerseits ist er irgendwie "anders", andererseits aber auch wiederum "ganz normal". Aber eines steht fest: Der SWH ist – zumindest für mich – etwas ganz Besonderes und Einzigartiges!
Zum ersten Mal sah ich den SWH auf einer Hundeausstellung im April 1999 in Offenburg. Ich dachte, ich träume – so eine Rasse kann es doch nicht geben! Ich war absolut fasziniert von den Hunden, von ihrer Ausstrahlung, dem Aussehen und der Ruhe, die sie ausströmten….und diese Augen! Sie hatten eine ganz besondere Aura. Den ganzen Tag schaute ich immer und immer wieder bei den Hunden vorbei und stellte den Besitzern 1000 Fragen. Natürlich machte ich auch gleich einen Termin für einen Besuch aus.
Ich informierte mich dann auch über das Internet, lernte noch mehr SWH-Besitzer kennen und versuchte, einfach alles über diese Rasse herauszufinden.
Wir sind 1000e von km gefahren um diese Hunde zu sehen, sind auf Treffen, auf Ausstellungen gefahren….aber dennoch hatte ich Bedenken, mir wirklich solch einen Hund anzuschaffen, weil es Personen gab, die sagten, diese Rasse wäre viel zu scheu für das Alltagsleben. Ich hatte Angst, daß ich dem Hund nicht gewachsen bin und er im Alltag nicht bestehen kann. Ich beschäftigte mich dann aufgrund dessen auch mit dem Tschechoslowakischen Wolfhund und machte hier aber leider sehr schlechte Erfahrungen, so daß ich wieder Abstand von dieser Rasse nahm. Letztendlich gingen um die 5 Jahre in’s Land, ehe wir uns dann tatsächlich dafür entschieden haben, daß ein SWH bei uns einziehen wird. Ausschlaggebend war, daß wir immer wieder auf Treffen gefahren sind und ich viele SWHs näher kennenlernen durfte und ich immer faszinierter von diesen Hunden war, sie ließen mich einfach nicht los…..
Wir lernten auf den SWH Treffen auch Martina (Kennel "von der Göttinger Breede") und ihre Hunde kennen. Insbesondere ihre Hündin Tilla hat es mir angetan, ein Traum von einem Saarlooswolfhond sowohl vom Aussehen als auch Wesen und schnell war klar, daß wir unbedingt von ihr einen Welpen wollen und von niemand anderem!
Diese Entscheidung sollten wir niemals bereuen - im Gegenteil! Es war die beste Entscheidung unseres Lebens! Am Nikolaustag, den 6. Dezember 2003, hat Tilla ihre Welpen bekommen und aus diesem Wurf haben wir unsere Nisha bekommen. Die Züchterin Martina wurde eine liebgewonnene Freundin von uns, umso mehr hat es uns getroffen, als sie im September 2009 leider verstorben ist.
Nisha hatte beste Voraussetzungen für den Start in’s Leben und wurde bestens sozialisiert. Sie wuchs in einem Rudel von 4 SWHs und einem Mops auf. Nisha’s Mutter Tilla war eine absolut liebe und verschmuste Hündin, sehr souverän und eine tolle fürsorgliche Mama. Weiterhin waren Nisha’s Halbschwester Tikaani, aus Tilla’s erstem Wurf, und die junge Tiffy mit von der Partie. Clyde, der einzige Rüde im Rudel, war die Ruhe in Person und eine absolute Schmusebacke. Und dann war da noch Bonnie, die kleine Mopshündin, die immer ihr kleines Hundesofa mit den Welpen teilen mußte.
Wir sind alle 2 Wochen zu der Züchterin gefahren um die Welpen zu sehen – im Alter von 2, 4, 6 und schließlich 8 Wochen, obwohl es 600 km ein Weg zu fahren waren.
Erstaunt war ich, wie Yuma, unsere Schäferhündin, in das Rudel der Züchterin aufgenommen wurde. Als die Welpen 6 Wochen alt waren, nahmen wir Yuma mit gemischten Gefühlen das erste Mal mit, da die Züchterin meinte, es geht gut und wir sollen sie mitbringen. Nun kam Yuma, eine gut 3jährige Hündin, in ein bestehendes Rudel auf dem eigenen Grundstück, und das Rudel bestand aus 4 Hündinnen und einem kastrierten Rüden, wobei die Alphahündin gerade 4 Welpen hatte...
Was soll ich sagen? Es war sagenhaft!! Nachdem Tilla klargestellt hat, wer der Boß hier ist (indem sie Yuma lediglich zur Seite drängte, sich ihr sozusagen in den Weg stellte und Yuma brav auswich) war alles kein Problem! Selbst weitere Besuchshunde waren kein Problem und sie durften mit den Welpen zusammen laufen. Einmal waren 9 erwachsene Hunde und 4 Welpen im Flur und der Küche der Züchterin....ein Haufen Hunde auf engstem Raum, und alle waren friedlich. Das wurde natürlich auch positiv im Wurfabnahmebericht aufgenommen!
Mit 8 Wochen durften wir Nisha dann endlich nach Hause mitnehmen. Unter Tränen drückte mir die Züchterin Nisha in die Arme und verabschiedete uns. Es war ein sehr bewegender und aufregender Moment. Bei der Heimfahrt hat Nisha zunächst fürchterlich geschrien, ich konnte sie kaum beruhigen. Dann erbrach sie ein paar Mal auf meinen Schoß um dann erschöpft einzuschlafen.
Hier ein Photoalbum von Nisha's Welpenzeit beim Züchter:
Zu Hause angekommen war die neue Umgebung so interessant, daß der Trennungsschmerz schnell verflogen war. Sie inspizierte gleich unseren Garten und das Haus. Sie zeigte keinerlei Scheuhheit, war sehr neugierig und wollte erstmal alles erforschen.
Und so blieb das auch! Nisha war absolut frei, sie war sehr offen gegenüber jedermann. Sie hatte keinerlei Probleme mit fremden Menschen, im Gegenteil. Sie konnte sich sehr gut einschleimen, lehnte sich gegen die Leute und ließ sich kraulen. Das gefiel den Leuten und Nisha wusste das offensichtlich. Sie begrüßt jeden, den sie sah und freute sich über jeden Besuch. Sie hat sogar durch ihre ruhige Art schon Leute dazu gebracht sie zu streicheln, die normalerweise Angst vor Hunden haben.
Nisha war also, entgegen aller Erzählungen, nicht die Spur scheu sondern genau das Gegenteil! Ganz klasse fand sie es, wenn wir mit ihr weggefahren sind und sie in eine fremde Wohnung durfte. Sie hat dann alles mit hocherhobenem Schwanz genau untersucht. Sie führte sich auf, als wäre sie daheim, auch wenn sie noch nie dort war.
Wir sind mit Nisha beinahe jeden Tag irgendwohin gefahren, nur, damit sie die Welt kennenlernt. Wir haben sie überall mitgeschleppt, haben viele Hunde getroffen, viele Menschen, viele fremde Orte erkundet. Durch Yuma hat Nisha natürlich auch sehr viel Sicherheit gewonnen - ein SWH als Zweithund zu einem erwachsenen Hund, der selbstbewußt und gut erzogen ist, ist ideal!! Sie schauen sich viel ab und gewinnen viel an Sicherheit durch den Althund.
Durch gute Sozialisierung in den entscheidenden Phasen kann man die Entwicklung eines Saarlooswolfhundes positiv beeinflussen. Genetisch veranlagte Scheuheit kann man dämpfen, aber so ein Hund wird egal, wie gut man ihn sozialisiert, scheu oder reserviert bleiben. Aber auch scheue / reservierte Exemplare werden mit dem Alter immer souveräner und offener. Das kann aber viel Arbeit und Geduld kosten. Mit Nisha hatten wir Glück, denn sie war in den ersten Monaten sehr offen und hatte vor nichts Angst - aber auch das änderte sich ab einem gewissen Alter, dazu aber später...
In der Welpenschule hat sich Nisha super gemacht, wir gehörten immer zu den Besten und waren immer einen Schritt voraus. Der Trainer war sehr begeistert von Nisha. Sie hatte einfach Spaß an den Übungen, ich konnte sie jederzeit sogar aus dem Spiel heraus abrufen und sie meisterte alle Aufgaben mit Leichtigkeit. Allerdings muß ich dazu sagen, daß Nisha sehr bestechlich war – mit Leckerlie! Und das nutzte ich schamlos aus….
Dies funktioniert leider nicht bei allen SWHs so gut, aber Nisha war sehr verfressen und reagierte sehr gut auf Leckerlies. Die Hundeschule machte uns beiden sehr viel Spaß und wir haben sehr viel gelernt.
Nur eines war jedes Mal eine Tortur: Die Autofahrt in die Hundeschule. Die Fahrt dauerte etwa 45 Minuten und Nisha war einfach eine absolut schlechte Autofahrerin. Leider ist dies ein allgemeines Problem, unter dem sehr viele SWHs und ihre Besitzer leiden. Nisha hat regelmäßig im Auto erbrochen, sie hat sogar das eine oder andere Mal reingekackt und sie hat jedes Mal gesabbert wie ein Wasserfall. Am Ziel angekommen, war Nisha patschnaß und Yuma obendrein auch, weil Nisha sie vollgesabbert hat. Es war wirklich sehr schlimm und ich war einfach machtlos und frustriert.
Doch es gab Rettung! Aus dem Dilemma halfen uns letztendlich bestimmte Reisetabletten aus Holland. Viele SWH-Besitzer verabreichen diese Tabletten mit großem Erfolg ihren Hunden – also dachte ich, das versuchen wir auch, denn ich wusste wirklich keine andere Lösung mehr. Und diese Tabletten wirkten bei Nisha wahre Wunder! Erstmals kam sie trocken am Reiseziel an. Wir konnten die Tabletten nach und nach ausschleichen und seit sie etwa 2 Jahre alt war fuhr Nisha ohne Probleme Auto. Es war zwar nicht ihr Hobby, aber sie hatte auch keine Probleme mehr damit, das Sabbern hat endgültig aufgehört.
Am meisten Schwierigkeiten bereitete die Stubenreinheit. Nisha wollte und wollte einfach nicht stubenrein werden....es war ein scheinbar endloser Kampf, der andauerte, bis sie etwa 7 Monate alt war. Ich hatte oft den Eindruck, daß sie das einfach für nicht so wichtig empfand, sie machte einfach rein und egal, wie wir schimpften, es hatte keine Auswirkung auf sie. Yuma war da ganz anders - sie war mit 9 Wochen zuverlässig stubenrein und fand es sogar schrecklich, wenn Nisha reingepinkelt hat.
Die Stubenreinheit ist bei vielen SWHs ein Problem, viele brauchen recht lange dafür, gar bis zu 8 Monaten oder länger. Nisha hat uns sogar mehrmals auf's Bett gepinkelt und einmal sogar draufgekackt, ebenso auf unser Sofa! Sie hat auch ohne zu zögern in ihren Laufstall, in dem sie die Nacht verbrachte, reingemacht. Das hat mich viele Nerven gekostet....sie hat es fertiggebracht, 5 Mal in einer Stunde reinzumachen!! Es tat immer gut zu hören, daß es anderen genauso erging.
Nisha hielt uns die ersten 8 Wochen nach ihrem Einzug mehrmals die Nacht auf Trab, sie wollte einfach nicht durchschlafen. Wir waren wie gerädert.
Doch eines Tages passierte es fast von einem Tag auf den anderen und sie wurde plötzlich stubenrein. So als hätte sie selber den Zeitpunkt bestimmt und für sich entschieden, wann die Zeit reif ist, nicht mehr in’s Haus zu machen.
Da wir beide berufstätig sind, müssen die Hunde täglich ein paar Stunden alleine sein. Yuma, die es ja auch von klein auf gewohnt war, hatte damit kein Problem und leistete somit Nisha gute Gesellschaft. Doch Nisha war es oftmals wohl etwas langweilig, so daß sie doch einige Dinge zerstört hat…..ein 50er Jahre Schuhschrank verlor ein paar Klappen, die Wände (Fermacell) wurden angenagt, die Treppenstufen (Gott sei Dank hatten wir noch die Bautreppe) wurden angenagt, die Haustüre hat gelitten und noch ein paar andere „Kleinigkeiten“....
Der demolierte 50er Jahre Schuhschrank - er hatte mal 5 bunte Klappen:
Der 50er Jahre dreieckige schwarze Glastisch hatte ein weißes Vlies zwischen Glasplatte und Tischplatte - ich habe keine Ahnung, wie Nisha es geschafft hat, dieses Vlies herauszuziehen, ohne daß die Glasplatte zu Bruch ging. Sie lag immer noch auf dem Tisch - einzig eine alte Porzellanschale ging dabei zu Bruch, den geflochtenen Henkel der Schale hat sie zerkaut:
Im Hausflur hat Nisha die Wände angenagt, die Haustüre habe ich nach dem ersten "Angriff" mit Klarsichtfolie zugeklebt und Chili und Tabasco draufgeschmiert (hat tatsächlich geholfen). Die angenagten Treppenstufen waren wie erwähnt noch von unserer Bautreppe, daher war wenigstens hier der Schaden gleich geschätzt - sie hat so ziemlich alle Treppenstufen bearbeitet:
Und die beste Aktion war das mit den gelben Säcken....eines Tages haben die Hundis es irgendwie geschafft, die Haustüre aufzukriegen. Ich vermute mal, daß Frauchen oder Herrchen die Türe nicht richtig geschlossen hat. Da zwischen Garage und Haus eine Windfang ist, dessen Türen ein Hund unmöglich aufkriegen kann, da sie sich selber zuziehen, konnten die Hunde nicht spazierengehen. Allerdings hat sich Nisha dann wohl anders beschäftigt - sie hat in der Garage gelbe Säcke gefunden...6 an der Zahl und das Ergebnis, als ich nach Hause kam, war dieses:
Geheult hat sie aber nie, wenn sie alleine war – na ja, sie war ja nicht alleine, sie hatte ja Yuma. Nur die Langeweile ließ sie allerlei Dinge „ausprobieren“.
Ihre Zerstörungswut war im ersten Lebensjahr am schlimmsten, dann wurde es immer weniger. Im zweiten Lebensjahr geschah nur noch sehr sporadisch mal etwas und seit dem dritten Lebensjahr konnte man sagen, daß sie nur noch ein Engel war. Es ging nichts mehr kaputt, obwohl sie Zugang zum Büro und Schlafzimmer hatte.
Yuma und Nisha bekamen, als Nisha ca. 2 Jahre alt war, ein großzügiges Freigehege mit etwa 80qm und es gefiel ihnen sehr gut. Dort haben die Hunde frische Luft, Sonne, Schatten, sie können auf Gras, Holz, Kies und weichen Polstern liegen, gerade, wie es beliebt. Man kann schön buddeln und wenn es sein muß auch mal Pipi machen. Nisha ging sehr gerne morgens in’s Freigehege, wo ich sie dann erstmal fütterte. Während ich dann noch mal rausging (die Tore standen natürlich dann noch offen) um den Wassernapf frisch zu füllen, legte sich Nisha in die Gartenhütte auf die weichen, gemütlichen Polster. Wenn ich zurückkam, um den Napf reinzustellen, schaute sie mich nur an und „sagte“, daß ich jetzt gehen kann, ihr ging es ja gut. Im Freigehege haben sie es natürlich schöner als im Haus.
Nisha erinnerte mich immer sehr stark an eine Katze – sie war als Welpe sehr selbständig, hatte ihren eigenen Kopf, manchmal kam es mir vor, als lebe sie in ihrer „eigenen Welt“, in die sie so schnell niemanden reinläßt. Es dauerte etwa 2-3 Monate, bis ich das Gefühl hatte, daß Nisha eine Bindung zu uns aufbaut – diese Bindung war später dann sehr eng und wurde mit jedem Tag intensiver.
Der SWH braucht in manchen Dingen einfach länger. "Geduld und Spucke" ist der Lieblingssatz, wenn man verzweifelt um Rat fragt. Und ich kann nur sagen: Es stimmt. Kommt Zeit, kommt Rat, aber es kommt
Nisha bewegte sich auch wie eine Katze – mit einer enormen Leichtigkeit, Mühelosigkeit, leise, manchmal wie ein Geist….gerade war sie noch hier, plötzlich ist sie dort….springen konnte sie wie eine Feder und man meinte, es strengt sie nicht im geringsten an.
Und sie schmuste wie eine Katze - man konnte sie stundenlang kraulen und sie bekam einfach nicht genug davon. Sie wollte manchmal am liebsten in uns reinkriechen, das war der Wahnsinn und superschön. Ich habe das in vollen Zügen genossen (und tu es immer noch mit unseren anderen Hunden)!
Nisha war bis zum Alter von 9 Monaten absolut frei und hatte keine Probleme mit fremden Menschen, Situationen, Umgebungen… Doch dann fand wieder das alljährliche SWH-Treffen vom SWH-Club Deutschland e.V. in Nettetal statt. Wir kamen dort nachts um 23:00 Uhr an, im strömenden Regen. Das Treffen findet auf einem eingezäunten Gelände mit einem kleinen Weiher statt. Wir haben Yuma und Nisha aus dem Auto gelassen und sind auf das Gelände gegangen. Keine 10 Minuten später hat Nisha plötzlich geschrien wie am Spieß, kam angerannt und ich roch sofort, daß sie sich vollgepinkelt hat. Da war mir schnell klar, was passiert ist – sie hat einen deftigen Stromschlag bekommen von dem Pferdezaun, der an das Gelände angrenzte. Nisha war völlig durch den Wind, sie war ja naß und es hat vermutlich ordentlich gezündet.
Irgendwie scheint sie dieses Erlebnis auf den Platz bezogen zu haben und auf die Leute, die da waren. Sie war ab diesem Zeitpunkt wie umgedreht und ich hatte plötzlich einen eher scheuen Hund, der fremde Leute anbellte. Das hielt die ganzen drei Tage an, an denen wir auf dem Treffen waren….und es sollte noch viel länger anhalten.
Ich kannte bereits die Gerüchte von SWHs, die im Alter von 7-9 Monaten plötzlich scheu wurden und konnte mir das nie wirklich vorstellen. Doch nun erlebte ich es selbst an meinem eigenen Hund. Der Stromschlag war wahrscheinlich der Auslöser – aber vermutlich wäre es dennoch passiert, wenn es nicht der Stromschlag gewesen wäre, wäre es was anderes gewesen. Im Alter von 7-9 Monaten beginnt auch für junge Wölfe der Ernst des Lebens und sie gehen erstmals mit auf die Jagd – den jugendliche Leichtsinn und die Unbekümmertheit kann man da nicht mehr brauchen. Es geht nun um’s Überleben, man muß Vorsicht walten lassen und sieht die Dinge plötzlich mit anderen Augen, nicht mehr durch die kindliche rosarote Brille.
Ich schätze mal, daß dies ein Zusammenhang sein könnte zu den Verhaltensänderungen beim SWH in diesem Alter.
Nisha hatte also ab diesem Ereignis in Nettetal teilweise scheue Phasen, hatte Angst vor Dingen, die ihr zuvor nie Angst gemacht hat – sie hatte sogar Angst vor ihr längst bekannten Personen. Wir haben also eine Art zweite Sozialisierung begonnen und sind wieder verstärkt mit ihr in die Stadt gegangen, haben sie überall mitgeschleppt und viel geübt. Es war ein Auf und Ab – mal ging es besser, mal wieder schlechter. Manchmal wurde ich einfach nicht schlau aus ihr. Das Schlimmste, was man in solch einer Phase machen kann, ist den Hund zu bedauern. Ich habe versucht, ihr Verhalten einfach zu ignorieren und ihr Sicherheit zu geben, in dem ich ihr zeigte, daß es keinen Grund gibt, Angst zu haben. Es hat leider nicht immer funktioniert.
Diese Phase dauerte etwa ein halbes Jahr an, bis es plötzlich stetig besser wurde. Ich hatte auch manchmal den Eindruck, als würde auch ihr hormoneller Status eine Rolle spielen, also ob eine Läufigkeit anstand oder sie sich in der Phase inmitten zwei Läufigkeiten befand. In letzterer Phase war sie immer sehr gut gelaunt wohingegen sie sich in der Phase der Läufigkeit eher vorsichtiger verhielt.
Ab dem Alter von etwa 3 Jahren hatte Nisha wieder ein stabiles Wesen, war jedoch reserviert gegenüber Fremden, aber nicht scheu. Sie hat nie geknurrt oder hat aggressiv reagiert, auch wenn sie mal bedrängt wurde oder Angst hatte – nicht mal beim Tierarzt. Lieber wich sie zurück oder suchte Schutz bei mir. Manche Personen kamen sehr schnell an sie ran – bevorzugt Hundebesitzer. Männer haben sich etwas schwerer getan. Nisha wollte sehr gerne Kontakt aufnehmen, denn sie war sehr neugierig. Wenn fremde Personen zu uns kamen, bellte sie manchmal und blieb auf Abstand. Wichtig war, daß die Personen Nisha ignorieren und ihr nicht in die Augen schauen – was den meisten Leuten sehr schwer gefallen ist, weil sie fasziniert waren von Nisha’s Blick. Doch wenn sie ignoriert wurde, fühlte sie sich schnell sicherer und begann selbständig, Kontakt aufzunehmen. Sie ging hin, schnüffelte, leckte die Hand….und wenn die Hand begann, sie zu streicheln, genoß sie es sehr schnell und das Eis war gebrochen.
Es war für mich immer wieder schön zu beobachten, wie sehr Nisha auf die Körpersprache der Menschen reagierte, vor allem auf die Blicke, die man ihr zuwarf – Menschen, die sich aus ihrer Sicht heraus korrekt verhielten, haben sehr schnell ihre Gunst gewonnen.
Eine Frage, die auch immer wieder auftaucht, ist die Frage nach dem Jagdtrieb. Natürlich war der Jagdtrieb auch bei Nisha vorhanden und wenn man sie gelassen hätte, wäre sie auch jagen gegangen – wie viele andere Hunde auch. Aber ich hatte das Glück und konnte Nisha sehr gut kontrollieren. Yuma hatte auch ihren Anteil daran und war Nisha eine gute Lehrmeisterin. Yuma spürte zwar das Wild oder die Katzen auf, aber sobald das Wild/die Katze wegrannte drehte Yuma um, rannte zu mir und wollte spielen. So hatte Nisha keinen Jagdpartner – alleine diese Tatsache hätte sie aber nicht von der Jagd abgehalten. Es hat mich viel Mühe und eine Menge Leckerlies gekostet, aber es hat sich gelohnt – Nisha konnte jederzeit ohne Leine laufen, auch im Wald und ich konnte sie sogar zu 95% abrufen, wenn das Wild direkt vor Nisha’s Nase aufsprang. Diese Situation hatten wir sehr oft. Auch die Katzen in der Nachbarschaft konnten sich glücklich schätzen, denn Nisha blieb wie angewurzelt an der Grundstücksgrenze stehen und beobachtete die Katze nur. Nisha bildet hier aber eher eine Ausnahme bei den SWHs! Es machte das Zusammenleben mit ihr sehr angenehm und Spaziergänge waren sehr stressfrei, obwohl wir in einer wildreichen Gegend wohnen und rundum Wälder sind.
Oben rechts im folgenden Bild ist im Feld eine Katze zu sehen:
Hier ist die Katze mit einem Pfeil markiert - Nisha wußte nicht, daß ich sie beobachte. Ich war im Haus, als ich zufällig sah, wie Nisha die Katze beobachtet und ich konnte es auf Photos festhalten:
Ein SWH ist hervorragend geeignet für das Zusammenleben mit einem oder mehreren Hunden. Natürlich muß auch hier der Besitzer gewisse Regeln einhalten und für klare Strukturen innerhalb des Rudels sorgen. Ich persönlich kann es mir kaum noch anders vorstellen und möchte es nicht missen, mindestens zwei Hunde zu haben. Yuma und Nisha sind ein super Team geworden. Yuma war eine tolle Tante für Nisha und die Zwei waren wie Pech und Schwefel. Yuma hat die Erziehung von Nisha in jedem Fall sehr positiv beeinflusst und mir so manche Dinge erleichtert. Nisha akzeptierte Yuma immer als Chef, andersrum zeigte aber auch Yuma in bestimmten Situationen Respekt vor Nisha. Und so klappt es hervorragend und wir haben ein völlig stressfreies, spannungsfreies Rudelleben.
Das Zusammenleben mit Nisha war eine wahre Freude, obwohl wir auch schwierige Zeiten hinter uns hatten. Sie war einfach ein Traumhund und ich wollte sie nicht mehr missen. Ich liebte diesen Hund einfach und sie faszinierte mich jeden Tag immer wieder auf’s Neue! Sie war mein Seelenhund, einen Hund, den man nur einmal im Leben hat !
...geschrieben am 12.12.2006, überarbeitet am 12.10.2017
Update 20. September 2012 - 6 Jahre später
Inzwischen sind fast 6 Jahre vergangen. Nisha war nun fast 9 Jahre alt und in der Zwischenzeit ist einiges geschehen.
Im April 2007 hat Nisha ihre ersten Welpen geboren, es war unser A-Wurf, aus dem wir unsere Timish behalten haben. Im Juli 2009 hat Nisha dann zum zweiten Mal Welpen bekommen, unseren B-Wurf. Auch aus diesem Wurf haben wir eine Hündin behalten, unsere Shaya.
Im Juli 2011 ist unsere geliebte Schäferhündin Yuma verstorben, unangefochtene Chefin des Rudels.
Aus Shaya's Wurf (D-Wurf) vom Juni 2012 haben wir wiederum eine Hündin behalten, Nisha's Enkelin Yasha.
So hat sich das Rudel gewandelt, Nisha jedoch ist immer der gleiche ruhende Pol im Rudel geblieben. Nach Yuma's Tod hat sie die Chefrolle übernommen und machte dies sehr souverän, nur ihre Anwesenheit genügte, sie musste gar nicht viel machen, um respektiert zu werden.
Nisha ist eine sehr selbstsichere Hündin geworden, die Ruhe in Person, aber sie tobte auch fröhlich mit ihren Töchtern und ihrer Enkelin, dabei wurde sie auch mal sehr kindisch ????.
Ihre Verschmustheit hatte den Höhepunkt erreicht. Jeder Besucher wurde hierfür mißbraucht und fing man einmal an, sie zu kraulen, hat man verloren und konnte das stundenlang weitertreiben. Andernfalls beschwerte sie sich ordentlich mit einem Prankenhieb.
Nisha war inzwischen meistens sehr offen zu Fremden, es gab nur noch wenige Situationen, in denen sie vorsichtig reagierte. Nur ganz fremde Besucher wurden die erste Minute etwas mißtrauisch beäugt, bevor sie für "gut" befunden wurden. Das Eis brach aber in fast allen Fällen sehr schnell, oft auch sofort.
Als Oma hat sie sich sehr hingebungsvoll um ihre Enkel gekümmert, genauso wie um ihre eigenen Babies. Sie lag zusammen mit Timish und Shaya in der Wurfkiste und hat die Welpen gepflegt - Nisha war dann im 7. Himmel!
Leider gab es aber auch Schattenseiten im Leben von Nisha...hier geht es weiter mit ihrer Krankengeschichte:
Nisha und die Degenerative Myelopathie