Sozialisierung des Saarlooswolfhondes
Gewöhnung des Saarlooswolfhondes an seine Umwelt
Der Begriff Sozialisierung beschreibt die Gewöhnung des Welpen an verschiedene Umweltreize während der ersten Lebensmonate. Alles, was der Hund in dieser Zeit erlebt, prägt sich ihm sowohl positiv, als auch negativ ein. Nur gut sozialisierte Welpen können im Erwachsenenalter sozialverträgliche Hunde werden. Dabei ist sowohl die Sozialisierung mit Artgenossen, mit anderen Tieren (Katzen, Pferde etc.) und mit fremden Menschen (Erwachsene, Kinder) von großer Bedeutung. Aber auch die Gewöhnung an verschiedene optische und akustische Umweltreize (verschiedene Haushalts- und Gartengeräte, Martinshorn, Knallgeräusche sowie Gewöhnung an Menschenansammlungen, Verkehrsgetümmel usw.) gehört zu einer guten Sozialisierung.
Schlecht sozialisierte Hunde verschiedenster Rassen haben große Probleme, sich in einer vom Menschen geprägten, für den Hund oft lauten und stressigen Umwelt zurechtzufinden. Sie zeigen oft ängstliche oder auch aggressive Verhaltensmuster.
Gerade beim Saarlooswolfhond ist, aufgrund seines vom Wolf geerbten Fluchttriebs, eine gute Sozialisierung besonders wichtig. Das in fremden Situationen schnell zur Flucht neigende Tier stellt den unerfahrenen Hundebesitzer vor große Probleme. Der Fluchttrieb überwiegt dann alles und der Hund ist gar nicht in der Lage, ein Kommando zu befolgen. Deshalb erschwert diese Verhaltensweise eine zuverlässige Erziehung des Hundes. Schließlich ist der Fluchttrieb für das Wildtier, dem Wolf, überlebensnotwendig und daher sehr tief in seinem Wesen verankert.
Noch mehr als bei anderen Hunderassen sollte deshalb beim Saarlooswolfhond auf die Gewöhnung an fremde Menschen sowie an verschiedenste Dinge des täglichen Lebens größter Wert gelegt werden. Nur so kann der Saarlooswolfhond in eine Familie integriert, am Familienleben teilhaben und artgerecht im Haus gehalten werden. Zum Zusammenleben mit seinen Menschen gehört auch, daß der Saarlooswolfhond möglichst ohne Stress zu anderen Menschen oder in belebte Gegenden mitgenommen werden kann (denn wer möchte schon gerne als Einsiedler in der Natur leben). Man sollte zudem bedenken, daß in Notfällen das Tier auch zeitweise bei anderen Menschen untergebracht werden muss. Auch sie sollten dann stressfrei mit dem Tier zurechtkommen. Um all dies zu erreichen ist es unerlässlich, den Saarlooswolfhond optimal zu sozialisieren.
Wichtigster Zeitraum zur Erforschung der Umwelt
Aber welcher Zeitraum im Leben eines Hundes ist nun entscheidend für eine optimale Sozialisierung? Als Richtlinie gilt, daß die wichtigste Sozialisierungsphase zwischen der 4. und der 16. Lebenswoche anzusiedeln ist. Man sollte sich jedoch hüten, diese Angaben zu statisch zu sehen. Es gibt sowohl rassetypische, als auch individuelle Unterschiede, so daß eine allgemeingültige Darstellung der Hundeentwicklung nicht möglich ist.
"Die typische Hundeentwicklung gibt es wahrlich nicht" (Dr. Dorit Feddersen-Petersen, Hundepsychologie).
Am Anfang ist der Züchter gefragt
Schon beim Züchter wird also der Grundstein für die Verhaltensentwicklung des Welpen gelegt. Ein gut sozialisierter Welpe hat schon hier ausreichend Kontakt zur Familie und zu fremden Menschen aller Altersstufen, wobei diese Kontakte beim Welpen immer positiv belegt werden müssen. Im Idealfall gibt es schon mehrmals vor der Abgabe Besuche vom späteren Besitzer des Welpen. Selbstverständlich ist der Kontakt zur Mutter, sowie zu den Wurfgeschwistern und - wenn möglich - zu Besucherhunden. Die Welpen sollten im Haus aufwachsen, so daß sie von Geburt an - möglichst beiläufig - mit verschiedenen optischen und akustischen Reizen konfrontiert werden und damit das Alltagsleben in der Familie kennen lernen. Wenn die Welpen im Alter von etwa 4 Wochen das Welpenlager verlassen und ihre Umwelt erkunden, sollten sie die Möglichkeit dazu sowohl im Haus als auch im Garten haben. Optimal ist, wenn der Züchter schon kleinere Ausflüge mit den Welpen unternimmt, wenn sie alt genug dafür sind. Hierbei ist die langsame Gewöhnung an das Autofahren besonders wichtig. Die meisten Saarlooswolfhonden haben große Probleme mit dem Autofahren, weshalb schonende und möglichst positiv besetzte Übungseinheiten mit dem Auto wichtig sind.
... danach ist der Welpenkäufer gefordert
Später ist dann der Welpenkäufer gefordert. Auch wenn die Sozialisierung gerade in den ersten Lebensmonaten am wichtigsten ist, hat man auch später noch viel Zeit für Sozialisierungsübungen. Unstrittig jedoch ist, daß die Sozialisierung mit zunehmendem Alter des Hundes schwieriger wird. Eine verpasste Sozialisierung im Welpenalter kann später meist nicht mehr aufgeholt werden. Wichtig ist, den Schwierigkeitsgrad für den Hund langsam zu steigern. Auf keinen Fall soll der Hund überfordert werden. Die Übungen sollten wohldosiert werden, und zwar sowohl in Bezug auf die Zeitdauer, als auch in Bezug auf den Schwierigkeitsgrad. Man beginnt also mit kurzen Ausflügen in wenig belebtes Gebiet und steigert die Eindrücke und Reize, die auf den Hund einwirken, allmählich.
Optimal ist, wenn die Übungseinheiten vom Hund positiv besetzt werden. Reagiert der Saarlooswolfhond bei einer Übung mit Stress-Symptomen, so sollte der Hund nicht getröstet, nicht gestreichelt, ja seine Angst gar nicht beachtet werden. Mit einer derartigen Reaktion würde man sein Verhalten nur bestärken. Betrachtet man die Reaktion der Mutterhündin auf das Angstverhalten des Welpen, so wird deutlich, daß sie nur bei tatsächlich bestehender Gefahr aufsteht und sich schützend vor ihren Welpen stellt. Sieht die erfahrene Hündin keine Gefahr, so beachtet sie die Unruhe des Welpen gar nicht und zeigt ihm dadurch, daß keine Gefahr besteht. Genau so sollte sich der Mensch auch verhalten. Wichtig ist, daß man den Welpen immer wieder mit diesen für ihn unheimlichen Alltagssituationen konfrontiert, bis er gelernt hat, daß davon keine Gefahr ausgeht. Dies erfordert bei manchen Saarlooswolfhonden: Geduld, Geduld, Geduld, und auch vor Rückschlägen ist man nicht immer gefeit. Wichtig ist, daß der Mensch als souveräner Rudelführer auftritt und in jeder Situation stoische Ruhe bewahrt (schimpfen, schreien und an der Leine zerren zerstört das Vertrauen des Hundes in die Führungsqualitäten seines Menschen).
Sehr wichtig für eine gute Sozialisierung, sowohl in Bezug auf fremde Menschen, als auch auf Artgenossen, ist der sofortige Besuch einer guten Hundeschule. Keinesfalls sollte man mit dem Besuch einer Welpenspielgruppe warten, bis der Hund mit 14 oder 16 Wochen komplett durchgeimpft ist. Dadurch würde man den wichtigsten Sozialisierungszeitraum ungenutzt verstreichen lassen. In der Welpenspielgruppe können die Tiere mit ihren Artgenossen herumtoben und erleben durch den Kontakt mit den anderen hundebegeisterten Welpenbesitzern positive Eindrücke von fremden Menschen.
Es wäre wünschenswert, daß der Hundetrainer die Rasse und damit die Eigenarten des Saarlooswolfhondes kennt. In den meisten Hundeschulen wird dies jedoch nicht der Fall sein. Dann ist es Sache des Saarloosbesitzers, den Ausbilder über die Rasse zu informieren. Manche Übungen sollten für den Saarlooswolfhond anfangs eventuell etwas modifiziert werden. Auch hier ist der Saarloosbesitzer gefragt, der am besten weiß, welche Übungen von seinem Hund ausgeführt werden können, welche man (um den Hund nicht zu überfordern) etwas abändern sollte und wann man besser eine Pause einlegt.
Allerdings ersetzt eine Welpengruppe nicht die Umweltsozialisation, die durch den neuen Besitzer jetzt regelmäßig stattfinden sollte. An dieser Stelle seien verschiedene Anregungen für Übungen zur Sozialisierung genannt. Bei allen Aktionen beginnt man in ruhigen Gebieten und steigert den Schwierigkeitsgrad dann langsam, indem man belebte Regionen aufsucht.
Beispiel Übungen von Alltagssituationen
- Setz Dich auf eine Bank (Park, Fußgängerzone, anfangs etwas abseits) und lasse den Hund über längere Zeit das Treiben um sich herum beobachten.
- Spaziergang im Park und im Tierpark (Wobei mit Spaziergang keine einstündige Wanderung gemeint ist. Spaziergänge mit Welpen sollten aufgrund des Knochenwachstums anfangs maximal 10-15 Minuten dauern.).
- Spaziergang mit Freunden und anderen Hundebesitzern.
- Spaziergang zuerst in ruhigem Wohngebiet, dann langsam steigernd in belebteren Gebieten.
- Spaziergang anfangs am Rand einer Fußgängerzone wenn wenig los ist, langsam steigernd.
- Besuch bei Freunden in fremdem Haus, Garten, Wohnung.
- Besuch beim Tierarzt.
- Besuch eines Restaurants.
- Auto fahren.
aber
ein Saarlooswolfhond muss ja nicht überall mit hin - zum Beispiel den Besuch des Jahrmarktes sollte man überhaupt keinem Hund, egal welcher Rasse, zumuten.
... und zum guten Schluss
Eine gute Sozialisierung nimmt bei Welpen und Junghunden richtig viel Zeit in Anspruch, aber ein allgemeingültiges Schema dafür gibt es nicht. Geduld, Ruhe und Souveränität des Hundehalters, sowie häufige Wiederholung verschiedener Alltagssituationen ohne Überforderung des Hundes, sowie die richtige Reaktion auf eventuell auftretendes Fluchtverhalten sind wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Sozialisierung. Es ist wichtig, dem Saarlooswolfhond die Zeit und die Möglichkeit zu geben, seine Umwelt zu erkunden. Hat man dies geschafft und hat der Hund gelernt, friedfertig und aufgeschlossen mit fremden Personen, Kindern und anderen Haustieren umzugehen, so hat man ein tolles Familienmitglied und einen wunderbaren Partner gewonnen. Daß sich die Mühe einer guten Sozialisierung lohnt, zeigen viele Beispiele von ausgewachsenen Saarlooswolfhonden, die fremden Menschen und unbekannten Situationen gegenüber - wenn überhaupt - reserviert, aber keinesfalls scheu oder ängstlich begegnen. Der Weg bis dahin kann jedoch bei einem scheu veranlagten Exemplar lang und steinig werden – man darf aber nie aufgeben, es wird sich lohnen!