Die Operation – Totalendoprothese (TEP)
künstliche Hüftgelenke beim Hund
Bei Yuma kam eine Totalendoprothese (künstliches Hüftgelenk) der Firma Aesculap zur Verwendung. Das erste Gelenk wurde im Dezember 2002 eingesetzt, das zweite im Juni 2003. Dieses Modell besteht aus einer Polyäthylenpfanne und einem Kobalt-Chrom-Molybdän-Kopf. Es handelt sich um eine sogenannte „Schnapphüfte“, d.h. Oberschenkelkopf und –pfanne schnappen wie ein Druckknopf ineinander. Dies erhöht die Stabilität und gibt Sicherheit gegen Luxation (Auskugelung) während der Einheilung der Prothese. Die Prothese wird mit Zement im Knochen fixiert.
Die Operation wird unter Vollnarkose unter höchst sterilen Bedingungen vorgenommen. Der Schnitt führt vom Knie bis zur Hüfte – siehe Photos von Yuma kurz nach der OP, somit wird das Operationsfeld großzügig freigelegt. Der Muskel, der am sogenannten Trochanter major (die Stelle ganz oben am Oberschenkelknochen auf der Außenseite) angewachsen ist, wird mitsamt dem Trochanter major selbst abgetrennt, um Zugang zur Hüfte zu bekommen. Der Muskel wird zusammen mit dem abgetrennten Stück Knochen am Ende der OP mit einer Schraube wieder fixiert, damit er wieder anwachsen kann. Die Schraube verbleibt im Hund und wird postoperativ nicht mehr entfernt.
Beim Einsetzen der Prothese wird zuerst die künstliche Pfanne in das mit einem speziellen Formfräser präparierte Becken implantiert.
Für die Implantation des Prothesenschaftes in den Oberschenkel wird zunächst der Oberschenkelkopf (Femurkopf) abgesägt sowie der Oberschenkelknochen ausgehöhlt, um Platz für die Prothese zu schaffen, welche einen langen Schaft hat. Dies ist höchste Präzisionsarbeit, denn die Prothese muß danach korrekt sitzen, die Winkel müssen stimmen, alles muß äußerst passgenau sein.
Dort, wo das Ende des Prothesenschaftes ist, wird ein Loch in den Oberschenkelknochen gebohrt. Dann wird der Prothesenschaft mit dem Knochenzement fixiert.
Dieses Verfahren bewirkt erstens, daß zwischen dem Prothesenschaft und dem Inneren des Oberschenkels eine vollständige Füllung mit Zement erfolgt, die Klebefläche also maximal wird. Zweitens können eine eventuelle Luftblase in der Tiefe der Aushöhlung und überschüssiger Zement eben durch diese untere Bohrung austreten. Dadurch können Embolien vermieden und die spätere Stabilität der Prothese wesentlich erhöht werden. Diese Methode wurde von Dr. Gutbrod entwickelt.
Nach ca. 10 Minuten ist der Zement ausgehärtet (dieser wird dabei sehr warm) und die Prothesenteile werden zusammengefügt, d.h. die Kugel der Oberschenkelprothese wird in die Kunststoffpfanne des Beckens eingerastet (Schnapphüfte, s.o.). Dann kann die Gelenkkapsel mit resorbierbaren Fäden vernäht werden und nach Anschrauben des Trochanter major kann auch die Wunde wieder verschlossen werden.
Yuma's Totalendoprothese:
Eine ausführliche Beschreibung der Operationsmethode, welche bei Yuma zur Anwendung kam, finden Sie im Artikel von F.Gutbrod & D.Festl 01/1995:
Beim ersten Beratungsgespräch im September 2002 mit Dr. Gutbrod in Nürnberg habe ich viele Fragen über die „Risiken und Nebenwirkungen“ dieser schweren Operation gestellt, neben der Beantwortung hat er mir eine Art „Merkzettel“ zusätzlich zur schriftlichen Diagnose mitgegeben, in dem auch einige meiner Fragen beantwortet wurden:
Frage: Wie hoch ist die Erfolgsquote?
96%
Frage: Wie ist die Belastbarkeit nach der Operation und vollständiger Einheilung?
Die Totalendoprothese ist nach der OP voll belastbar, d.h. der Hund darf alles machen was er möchte. Zitat aus der schriftlichen Diagnose, die Dr. Gutbrod mir gegeben hat:
Mittels Kontrolluntersuchungen bei mehreren hundert Hunden haben wir festgestellt, daß nach der Operation 96% der Tiere völlig beschwerdefrei sind, das heißt: sie können dann ohne Einschränkung springen und laufen und dürfen mit anderen Hunden spielen.
Dr. Gutbrod hat mir erzählt, daß er SchH 3-Hunde (Schutzhundprüfung Stufe 3) operiert hat, die ihren Hundesport nach der OP ohne Einschränkung weitermachten. Er hat Jagdhunde operiert, die nach wie vor auf Entenjagd gehen oder sonstiges jagen, quer durch Feld, Wald und Wiese über Stock und Stein und schwieriges Gelände. Er erzählte auch von einem Hund, der danach auf lange Bergwanderungen ging (und das sollte sich bestätigen, denn Yuma konnte nach der OP ohne weiteres 7 h Wanderungen in Südtirol mitmachen!).
Frage: Wie steht es um die Haltbarkeit der Totalendoprothese?
Es ist im Prinzip dieselbe OP-Methode wie beim Mensch. Beim Mensch hält das Gelenk ca. 10-15 Jahre. Beim Hund hält es rein theoretisch 30 Jahre, da das Gewicht, welches auf dem Gelenk lastet, wesentlich geringer ist als beim Mensch. Der Hund trägt außerdem 40 % seines Körpergewichtes hinten, 60 % vorne. Beim Mensch sind es 100 %. Außerdem gibt es von Aesculap ein Gelenk, welches die Lage des originalen Gelenkes optimal imitiert und somit kaum Scherkräfte auf das Gelenk kommen, da es eine große Auflagefläche hat.
Frage: Wie läuft die Operation ab?
Zitat von schriftlicher Diagnose:
Am vereinbarten Operationstag kommen Sie pünktlich um 8:00 Uhr morgens in unsere Klinik. Nach einer entsprechenden Untersuchung des Hundes nehmen wir die Operation vor. Am Nachmittag (zwischen 15:00 Uhr und 18:00 Uhr) kann der Hund wieder abgeholt werden. Auf Wunsch bleibt er auch wenige Tage in unserer Klinik.
Frage: Wie hoch sind die zu erwartenden Kosten?
Zitat von schriftlicher Diagnose:
Für die Operation fallen insgesamt Kosten von ca. 1350 Euro an.
Tatsächlich kostete Yuma’s erste OP etwas über 1400 Euro, die zweite OP ca. 1200 Euro.
Frage: Welche Risiken bringt diese Operation mit sich?
Zitat aus F.Gutbrod & D.Festl 01/1995 „Praktische Anwendung und klinische Ergebnisse der Hüftgelenk-Totalendoprothese für Hunde Modell Aesculap“:
Zum Aushöhlen des Femurschafts steht eine spezielle Raspel zur Verfügung (Abbildung 2). Vor dem Raspeln wird im Femurschaft ein Lüftungsloch angelegt. Dieses sollte an der Stelle liegen, wo später das distale Ende des Prothesenstiels zu erwarten ist. Dadurch ist bei uns noch niemals eine Embolie festgestellt worden, zum anderen erreicht man eine vollständige Füllung der Markhöhle mit Knochenzement, da Luft und Flüssigkeit entweichen können.
Dr. Gutbrod berichtete von folgenden Komplikationsfällen:
Es gab eine Wundinfektion (bedingt durch Hautkrankheit), dieser Hund mußte eingeschläfert werden.
Es gab bisher 8 Implantatslockerungen, wobei bei 5 Fällen eine neue Pfanne implantiert wurde. 1 Patient davon wurde voll belastbar, 3 wurden wesentlich besser belastbar und einer war unverändert gegenüber dem kranken Gelenk. In den anderen Fällen wurde das Pfannenimplantat entfernt, was gegenüber vor der OP zu keinen Veränderungen führte. Keiner dieser Hunde mußte eingeschläfert werden.
5 Hüften luxierten, wovon 2 unfallbedingt luxierten. Die Hüfte wurde bei allen neu fixiert und positioniert. In 2 Fällen war die Hüfte danach voll belastbar, in 3 Fällen wesentlich besser belastbar als mit kranker Originalhüfte.
Einer hatte eine Osteolyse ( Wikipedia: Osteolyse ). Er lahmte weiterhin nach der OP. Er mußte eingeschläfert werden.
Ein Hund hatte 4 Monate nach der OP unfallbedingt eine Fraktur. Der Hund wurde operiert und die Hüfte durch Plattenosteosynthese (einsetzen einer Metallplatte zur Stabilisierung) mit Drahtcerclagen (zur Fixierung) versorgt. Der Hund lief danach beschwerdefrei.
Die Untersuchungen hierzu hatte ca. 200 Hunde zur Grundlage. Es waren Langzeitbeobachtungen, wobei Hunde dabei waren, die seit 9 Jahren auf künstlichen Hüftgelenken ohne Beschwerden gehen. Dies ist auch hier nachzulesen: F.Gutbrod & D.Festl 01/1995 „Praktische Anwendung und klinische Ergebnisse der Hüftgelenk-Totalendoprothese für Hunde Modell Aesculap“
Frage: Wie sieht die postoperative Nachsorge aus?
Zitat aus F.Gutbrod & D.Festl 01/1995 „Praktische Anwendung und klinische Ergebnisse der Hüftgelenk-Totalendoprothese für Hunde Modell Aesculap“:
Der Sitz der Endoprothese wird röntgenologisch kontrolliert (Abbildung 4). Postoperativ werden die Hunde für 5 Tage antibiotisch (Baytril) versorgt. Bis zum Fädenziehen nach 10 Tagen sollte strenger Leinenzwang eingehalten werden. Dr. Gutbrod meinte allerdings, daß 4-6 Wochen Leine angebracht wären, sowie Treppensteigen auch mit Leine.
Frage: Wie ist die Operationstechnik?
Dr. Gutbrod verwendet die Prothese von Aesculap. Die Prothese wird einzementiert. Siehe auch Beschreibung zur OP oben. Dazu ein Zitat aus F.Gutbrod & D.Festl 01/1995 „Praktische Anwendung und klinische Ergebnisse der Hüftgelenk-Totalendoprothese für Hunde Modell Aesculap“:
In der Tiermedizin wird sich die Hüftendoprothetik kaum gleichermaßen weiterentwickeln wie in der Humanmedizin. Denn, obwohl Knochenzement einer gewissen Alterung unterliegt, die zu einer Implantatlockerung führen kann, wird die Fixierung mit Knochenzement den Vorzug behalten; sie überdauert ein 10-15jähriges Hundeleben; außerdem kann beim Hund eine für zementfreie Implantate notwendige kontrollierte Belastung während der Einheilungsphase nur sehr schwer eingehalten werden. Zementierte Implantate bieten durch die Vergrößerung der Auflagefläche eine schnelle Belastbarkeit, und stabile Verhältnisse sind zudem weniger infektionsgefährdet. Auch in der Operationstechnik ergeben sich durch die beim zementfreien Implantat notwendige optimale Einpassung mehr Komplikationen, da gerade im Hinblick auf die Größen- und Rassenvielfalt sehr unterschiedliche und kaum standardisierbare anatomische Verhältnisse vorliegen. Infolgedessen ist die teurere zementfreie Implantationstechnik beim Hund zur Zeit nicht angebracht.
Frage: Wie sieht es mit alternativen Behandlungsmöglichkeiten wie z.B. Goldimplantation/-akkupunktur aus?
Dr. Gutbrod ist dafür, daß man den Hund rechtzeitig, d.h. frühzeitig operiert und eine künstliche Hüfte einsetzt, da es seiner Meinung nach die einzige Methode ist, die Sekundärschäden wie Bandscheibenvorfälle und ähnliches verhindert. Wartet man zu lange und behandelt den Hund alternativ, kann eine Wirbelsäulenbeschädigung die Folge sein (Schonhaltung, meist für den Halter nicht mal sichtbar!).
Von einer Behandlung mit Cortison rät er ab, auch wenn die Dosis gering ist und keine Schäden zu erwarten sind. Vielmehr ist es für eine "sporadische" Behandlung bei Schüben, mit Schmerzmitteln oder Homöopathie. Er empfiehlt, den Hund nicht zu schonen, viel Fahrrad zu fahren. In bestimmten Fällen würde er eine Anabolika-Kur machen von 3 Spritzen, um den Muskelaufbau zu fördern. Bei Yuma ist dies nicht notwendig, da sie seiner Meinung nach sehr gut bemuskelt ist.
Zur Goldimplantation/-akkupunktur (GI): Dr. Gutbrod erzählte mir, daß es in Michigan eine Doppel-Blind-Vergleichsstudie gab, um die Wirksamkeit der Goldimplantation zu testen. Dabei wurde die Patienten (wieviele, weiß ich leider nicht) in zwei Gruppen geteilt und allen wurde vorgetäuscht, daß eine GI gemacht wurde, ohne Wissen der Patienten, ob die GI tatsächlich gemacht wurde oder nicht. Bei der Hälfte der Patienten wurde sie durchgeführt, bei der anderen Hälfte war es ein "Plazebo". Ergebnis: Es ergaben sich keine Unterschiede zwischen GI-Hunden und Nicht-GI-Hunden! Der Prozentsatz der Hunde, denen es mit oder ohne GI hinterher besser oder auch schlechter ging, war identisch!
Die eigentliche Heilung tritt oft ein, wenn der Hund nicht mehr so geschont wird, da der Besitzer wohl der Meinung ist, dem Hund muß es ja jetzt wieder gut gehen, da er ja eine GI hinter sich hat. Es kann auch sein, daß die GI z.B. im Alter von ca. 12 Monaten gemacht wird, weil er bis zu diesem Zeitpunkt Probleme hatte. Es ist aber so, daß die Probleme vor dem 12. Monat oftmals durch Mikrofrakturen entstehen. Danach sind viele Hunde symptomfrei – auch ohne GI.
Dr. Gutbrod setzt Hunden, die bereits eine GI bekommen haben, grundsätzlich keine Totalendoprothese mehr ein, da es zu Reaktionen wegen dem implantierten Gold kommen könnte. Somit ist im Vorfeld gut abzuwägen, für welche Methode man sich entscheidet!