Gentests und Forschungsprojekte
Die Forschung im Bereich der Genetik ist für die Hundezucht sehr wertvoll. Gentests ermöglichen dem Züchter, bestimmte Krankheiten in einer Rasse zu eliminieren und zu "beherrschen".
Relevante Gentests für den Saarlooswolfhond
Beim Saarlooswolfhond gibt es für drei wichtige, relevante Krankheiten Gentests: hypofysärer Zwergenwuchs, Degenerative Myelopathie (DM) und PCYT2 Deficiency (PD). Diese Krankheiten haben durch die Möglichkeit, die Zuchthunde darauf zu testen, ihren Schrecken verloren.
Die Tests können bei Laboklin in Auftrag gegeben werden, wobei der Test auf PD noch nicht verfügbar ist, aber hoffentlich bald (Stand Oktober 2023): Gentests von LABOGEN (Laboklin)
MyDogDNA / Wisdompanel
Immer mehr Hunderassen sind bei MyDogDNA vertreten, so auch der Saarlooswolfhond. MyDogDNA ermöglicht eine genomweite DNA Analyse des Hundes und man bekommt einen Wert für die genetische Variabilität des Hundes (genetic diversity), wobei gilt: je höher der Wert umso besser. Außerdem wird auf über 270 Erkrankungen untersucht (Stand 10/2023) - allerdings muß man hierbei beachten, daß die meisten dieser Erkrankungen beim SWH keine Rolle spielen, gar nicht vorkommen oder der Gentest beim SWH erst gar nicht funktioniert und somit keine Aussagekraft hat. Zwergenwuchs und PD werden bei MyDogDNA jedoch nicht getestet, somit muß man sich dafür nach wie vor an Laboklin wenden (Stand 2023).
Darüberhinaus kann man Erkenntnisse über 50 genetische Merkmale (Stand 10/2023) wie z.B. die Farbvererbung oder Eigenschaften wie Größe, Ohrenstellung, Fellstruktur usw. gewinnen. Beim SWH kann es hierbei interessant sein, ob der Hund Träger der waldbraunen oder weißen Farbe ist, was züchterisch jedoch eine der untergeordnetsten Rolle überhaupt spielen sollte.
Leider hat MyDogDNA einiges an Funktionalität verloren durch die Übernahme Ende 2017 durch die Mars Tochter Wisdom Panel (vorher gehörte MyDogDNA zu der finnischen Firma Genoscoper). Früher hatte man einige sogenannte "Breeder Tools" zu Verfügung, die es nun leider nicht mehr gibt, wie z.B. die Erfassung der Verwandtschaftsverhältnisse der Hunde innerhalb der Rasse untereinander inkl. optischer Darstellung in einer "3D Wolke" (dreidimensionale Grafik, in der es wie Tröpfchen in einer Wolke für jeden Hund einen Punkt gab und man anhand vom Abstand zum anderen Punkt erkennen konnte, wie nah oder entfernt verwandt die Hunde sind). Zudem konnte man die Relation zu anderen Rassen sehen und somit sehr gut die genetische Vielfalt einer Rasse untersuchen und darstellen. Auch bekam jeder Hund einen sogenannten Genetic Health Index (GHI), der einen Hinweis darauf gab, ob der Hund innerhalb der Rasse eine relativ hohe oder niedrige genetische Variabiltät und Gesundheit hat.
Embark
Ähnlich wie MyDogDNA bietet Embark über 250 Gentests auf verschiedene Erkrankungen an sowie über 35 genetische Merkmale (Stand 10/2023). Aber im Gegensatz zu MyDogDNA berechnet Embark nicht die genetische Variabilität sondern den genetischen Inzuchtkoeffizient (COI = Coefficient of inbreeding). Auf Anfrage kann man auch den zu erwartenden genetischen Inzuchtkoeffizenten eCOI für eine geplante Verpaarung anfragen, wenn beide Elterntiere bei Embark getestet sind. Dies habe ich für unseren H-Wurf (Shima x Ryuk) zum ersten Mal gemacht. Dieser Wert ist deutlich akkurater aber auch niedriger als der berechnete IK aus der Ahnentafel, da dort - je weiter man zurück geht - Fehler und Lücken vorkommen. Dieser Wert stellt also den tatsächlichen genetischen IK dar. Irgendwann - wenn genügend SWHs bei Embark getestet sind - soll es auch für unsere Rasse ein "Breeder Tool" geben, damit könnte man dann den genetisch besten Deckpartner finden.
Ein interessantes Feature von Embark ist der tatsächliche Wert für den Wolfanteil des Hundes sowie die sogenannte Wolfiness. Beim SWH liegt der Wolfanteil meist zwischen 25% und 30%, Ausreißer nach oben oder unten gibt es natürlich auch, aber nur im maximalen Bereich von +- 5 Prozentpunkte. Die Wolfiness ist ein Wert, der nur sehr schwer zu verstehen ist und von der Aussagekraft sehr unbedeutend ist. Embark schreibt hierzu (auf deutsch übersetzt): "Wichtig ist, dass der Wolfswert nicht repräsentativ für die jüngste Wolfsabstammung ist (die sich in den Rasseergebnissen widerspiegeln würde), sondern für das Vorhandensein einiger interessanter, alter genetischer Varianten!" Dabei handelt es sich um Teile von Genomen, von denen man annimmt, daß sie eine wichtige Rolle bei der Domestikation gespielt haben. Auffallend ist, daß der SWH im Vergleich zu anderen Rassen, eine ziemlich hohe Wolfiness hat. Eine genauere Beschreibung findest Du in den FAQs von Embark: What is Wolfiness score?
Forschungsprojekt am Institut für Genetik der Universität Bern
Es gibt ein Forschungsprojekt unter der Leitung von Prof. Dr. Tosso Leeb speziell für unsere Rasse, um die genetische Ursachen von verschiedenen Krankheiten zu erforschen: die Augenkrankheiten PRA (Progressive Retina Dysplasie), RD (Retina Dysplasie) und Katarakt, für Epilepsie und CCL. Im Jahr 2023 gab es hierbei einen sensationellen Durchbruch zu vermelden, denn es wurde tatsächlich für eine CCL Variante der Genmarker für die sogenannte Krankheit PCYT2 Deficiency gefunden, wofür es bald einen kommerziellen Gentest bei Laboklin für unsere Rasse geben wird (Stand Oktober 2023)! Dieser Test ist Gold wert, da sich herausstellte, daß 20% der SWHs Träger sind (das ist jeder 5. SWH!!) und diese Krankheit ist wirklich sehr schlimm. Der Gentest nimmt dieser Krankheit den Schrecken, da wir dies in Zukunft durch kontrollierte Verpaarungen vermeiden können. Am 4. Oktober 2023, am Welttierschutztag, bekamen alle SWH Besitzer, die Blut von ihren Hunden nach Bern geschickt haben, um dieses für Forschungszwecke zu Verfügung zu stellen, kostenlos das Ergebnis des PCYT2 Gentests! Das war für die SWH Welt doch ein ziemlich aufregender Tag 😊. Besonders gefreut hat es mich, daß unsere Stammhündin Be Nisha von der Göttinger Breede die Probennummer SR001 hat und diese somit die allererste Blutprobe für diesen neuen Gentest ist 😊.
Über die genannten Krankheiten kannst Du alles wichtige auf dieser Seite nachlesen: Krankheiten beim Saarlooswolfhond
Das Institut für Genetik an der veterinärmedizinischen Universität Bern arbeitet hierfür mit verschiedenen Universitäten und Laboren im In- und Ausland zusammen (Beispiel: Forschungsprojekt Epilepsie in Helsinki, PRA Forschungsprojekt Helsinki oder Katarakt Forschungsprojekt Helsinki). Damit die Forschung vorangehen kann, sollte man unbedingt Blutproben von betroffenen Saarlooswolfhunden und auch deren Verwandte einsenden, aber auch jede Probe von gesunden Hunden wird dringend benötigt:
⇒ Probeneinsendung Blut für das Forschungsprojekt an der Uni Bern ⇐
Daher mein Aufruf an alle, die einen betroffenen oder auch gesunden Saarlooswolfhond haben: Bitte sendet Blutproben ein und bittet die Besitzer der Eltern und Geschwister eures Hundes ebenfalls, mitzumachen! Nur so hat man überhaupt eine Chance, in Zukunft diese Krankheiten züchterisch zu bekämpfen.
Der Forschungsleiter Prof. Dr. Leeb hat einen Artikel für die GKF (Gesellschaft zur Förderung Kynologischer Forschung e.V.) über dieses Projekt geschrieben. Mit Erlaubnis von Prof. Dr. Leeb und der GKF darf ich den Artikel veröffentlichen und möchte auch hierbei gleich noch Werbung machen, Mitglied bei der GKF zu werden - ich bin es schon seit Jahren! Hier kannst Du den Artikel downloaden:
GKF Infoheft 57 - Erbkrankheiten beim Saarlooswolfhond Artikel Leeb GKF
Um das Forschungsprojekt zu unterstützen, hat der Saarlooswolfhond-Club Deutschland e.V. (SWH-Club) sein komplettes Vereinsvermögen plus weitere Spenden von Mitgliedern nach der Vereinsauflösung im Jahr 2023 speziell für diese Forschung am Saarlooswolfhond nach Bern gespendet. Um einen besseren Einblick in die Forschung zu bekommen, die Forscher selbst mal persönlich kennenzulernen und auch diesen mal einen SWH live zu zeigen (und nicht nur als DNA unter dem Mikroskop 😉), waren mein Mann und ich im März 2023 in Bern. Hierbei ist dieser Artikel entstanden:
Besuch bei Prof. Dr. Tosso Leeb im Institut für Genetik der Universität Bern
Nachdem der Saarlooswolfhond-Club Deutschland e.V. (SWH-Club) sich offiziell aufgelöst hat, konnte das Vereinsvermögen satzungsgemäß an die GKF (Gesellschaft zur Förderung Kynologischer Forschung e.V.) überwiesen werden. Die GKF garantiert die 100%ige Weitergabe des Geldes an das Institut für Genetik der Universität Bern speziell für das Forschungsprojekt am Saarlooswolfhond von Prof. Dr. Leeb. In Summe wurden vom SWH-Club knapp über 10 400€ gespendet, davon waren 720€ Einzelspenden der Mitglieder.
Prof. Dr. Leeb hat uns, Wilfried (ehemaliger 1. Vorsitzender des SWH-Clubs) & Carmen Tischler, am 3. März 2023 nach Bern eingeladen, um uns Einblicke in seine Arbeit zu geben. Dies war für das Forschungsteam auch eine Gelegenheit, den Saarlooswolfhond zum ersten Mal live zu erleben. Wir lernten auch den Doktoranden Matthias Christen kennen, der die genetischen Untersuchungen an unserer Rasse durchführt.
Herr Leeb führte uns durch die Labore und den Kühlraum für die Blutproben und zeigte uns die teilweise über 1 Mio Franken teuren DNA-Sequenziergeräte. Anschließend unterhielten wir uns noch im Büro von Herrn Leeb, wo wir auch unsere Hunde mitnehmen durften. Hier trafen wir auch auf Herrn Christen und noch weitere Teammitglieder, die sehr begeistert von den SWHs waren. Dabei entstand auch das gemeinsame Foto mit Prof. Dr. Leeb, Herrn Christen und Wilfried Tischler.
Im Gespräch erläuterte uns Herr Leeb, wie wichtig Spenden für die Forschungsprojekte sind. Vom Schweizer Kanton Bern werden lediglich 30 – 50% der Universitätskosten finanziert, was maximal für den reinen Lehrbetrieb ausreicht. Die Forschung hingegen ist auf Drittmittel angewiesen, um z.B. Material, Maschinen und Doktoranden zu bezahlen. Etwa 30% kommen vom Schweizerischen Nationalfonds SNF, der jedoch nur auf Antrag und individueller Entscheidung Projekte nach wissenschaftlicher Effizienz unterstützt. Hierbei haben es insbesondere Projekte für Hunde und Pferde sehr schwer. Somit sind sie auf Spenden von Stiftungen, der GKF oder privaten Geldgebern angewiesen, um die Forschungsprojekte voranzutreiben und zu finanzieren.
Die Spende vom SWH-Club wurde von Herrn Leeb mit Freuden angenommen. Er sagte uns, daß dadurch die Priorität für die Forschung am Saarlooswolfhond deutlich steigt. Dies kann zu schnelleren Ergebnissen und zu einem zeitlichen Vorteil führen. Er erkennt dadurch, daß viele SWH-Besitzer hinter seiner Arbeit stehen, was ihn zusätzlich motiviert, dieses Forschungsprojekt bevorzugt zu bearbeiten.
Es war ein hochinteressanter Tag mit sehr netten, aufgeschlossenen und motivierten Menschen! Wir hoffen, daß durch diese Forschung neue Gentests für unsere Rasse entwickelt werden können, um gesündere Hunde züchten zu können. Bezüglich des Tests für die CCL Variante ist Herr Leeb sehr zuversichtlich.
Vielen Dank an Herrn Leeb und sein Team für diesen Tag!
Wilfried & Carmen Tischler