Krankheiten, die beim Saarlooswolfhond auftreten können
Als ich vor ca. 20 Jahren zum ersten Mal mit einem Saarloosbesitzer sprach, sagte man zu mir: Bei dieser Rasse gibt es keine Krankheiten! Ich war erstaunt, daß es tatsächlich eine Hunderasse gibt, die so gesund ist. Und glaubte es zunächst. Doch wir besuchten diesen Menschen, der diese Aussage machte wenig später. Sie hatte zwei SWHs - und wir stellten fest, daß mit einem etwas nicht stimmte, weil er einen komischen Blick hatte und dann ist uns aufgefallen, daß er manchmal gegen Gegenstände lief. Der Besitzerin ist bis dato aber nichts aufgefallen, obwohl wir sie darauf angesprochen haben. Es stellte sich dann aber heraus, daß dieser SWH von der Augenkrankheit PRA betroffen war und bereits blind war! Er wurde keine 3 Jahre alt...
Dennoch war der SWH lange Zeit eine sehr gesunde Rasse, bei der man im Vergleich zu anderen Rassen recht wenig von Krankheiten hörte. Ob man nur nicht darüber redete und heute offener geworden ist, ob der Informationsfluss noch nicht so gut war, weil es vor 20 Jahren in dem Sinn noch kein Internet gab mit Facebook & Co oder ob es mehr Krankheiten gibt, lasse ich jetzt mal dahingestellt, denn das ist schwer zu prüfen.
Fakt ist, daß der Saarlooswolfhond eine sehr ingezüchtete Rasse ist, auch wenn es ein paar Frischbluteinkreuzungen gab. Dieser Effekt der Blutauffrischung wurde aber wieder durch teils mehrfache Rückkreuzungen auf dieselben Hunde und der zu häufige Einsatz derselben Hunde zunichte gemacht. Dadurch können sich Defektgene in einer Rasse schnell verbreiten. Ein gutes Beispiel ist die Degenerative Myelopathie (abgekürzt DM): Seit August 2009 gibt es einen Gentest, der ermöglichte, Defektgenträger zu identifizieren. Nach einem Jahr und vielen getesteten Hunden stellte man fest, daß es nur gut 40% freie Hunde gibt und über 50% DM Träger und weitere fast 10% betroffene Hunde! Das rezessive Gen konnte sich über viele Jahre ungehindert in der Population verbreiten, da die Krankheit spät auftritt. Enge Verpaarungen und Inzucht waren für diesen verheerenden Effekt mit verantwortlich. Nach momentanem Stand (2017) sind "nur noch" ca. 35% der SWHs Träger des Defektgens oder homozygot betroffen. Das ist schon eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Jahr 2010. Durch den Gentest kann man nun das Defektgen zurückdrängen und dafür sorgen, daß nie wieder ein Saarlooswolfhond an DM erkranken muß. Leider wissen wir was das bedeutet, da unsere erste SWH Hündin Nisha diese Krankheit hatte, ihre ganze Geschichte kann man hier nachlesen: Nisha und DM
Im Folgenden möchte ich ein paar Krankheiten aufzählen, die man beim Saarlooswolfhond mehr oder weniger oft sieht, aber zuerst noch ein paar Worte zum autosomalen rezessiven Erbgang verlieren, denn dieser Erbgang ist bei für den SWH wichtigen Krankheiten DM, Zwergenwuchs und PRA vorzufinden.
Bei einem autosomal rezessiven Ergbang können die Nachkommen nur erkranken, wenn beide Elterntiere mindestens ein defektes Gen tragen, also Träger oder betroffen sind. Ist zumindest ein Elterntier frei von dem Defektgen, kann kein Nachkomme erkranken. Im Folgenden wird der rezessive Erbgang erklärt:
"G" bedeutet, es handelt sich um ein gesundes Gen
"p" bedeutet, es ist ein PRA-Gen (defektes Gen).
Jedes Tier besitzt ein Genpaar. Somit bedeutet:
„GG“: das Tier ist gesund und kein Träger des defekten Genes.
„Gp“: das Tier ist Träger des defekten Genes, jedoch selbst nicht erkrankt.
“pp“: das Tier hat zwei defekte Gene und ist somit an PRA erkrankt.
Ein Nachkomme bekommt jeweils ein Gen vom Vater und eines von der Mutter. Somit sind folgende Kombinationen möglich (Mutter x Vater = Nachkommen):
-> alle Nachkommen sind gesund und keine Träger des defekten Genes!
-> 50% der Nachkommen sind gesund, 50% sind Träger des defekten Genes!
-> alle Nachkommen sind Träger der Krankheit, sind aber selbst nicht erkrankt!
-> 50% der Nachkommen sind Träger, 50% erkrankt!
-> 25% der Nachkommen sind frei, 50% sind Träger und 25% sind erkrankt
-> alle Nachkommen sind erkrankt!
Wenn man das Gen kennt und es somit einen Gentest gibt, kann man auch mit Trägern züchten - man darf sie dann nur mit freien Tieren verpaaren. Für Degenerative Myelopathie und hypofysärer Zwergenwuchs gibt es beim Saarlooswolfhond Gentests.
Seit Mai 2008 ist nach 15jähriger Forschung ein Gentest für den hypophysären Zwergenwuchs beim Saarlooswolfhond verfügbar. Dr. H. Kooistra von der veterinärmedizinischen Universität Utrecht in den Niederlanden hat das für diese Krankheit verantwortliche Gen nach langer Suche gefunden.
Der Gentest funktioniert momentan nur für die Rassen Saarlooswolfhond, Tschechoslowakischer Wolfhund und Deutscher Schäferhund. Natürlich gibt es diese Krankheit auch bei anderen Rassen, jedoch ist bei jeder Rasse ein anderes Gen betroffen, genauso wie es z.B. bei der Augenkrankheit Progressive Retina Atrophie (PRA) der Fall ist.
Auf dem Foto ist Saartje zu sehen, das Foto wurde mir freundlicherweise von Tanja Stoetman, die Besitzerin von Saartje, zu Verfügung gestellt. Sie hat eine Siftung für Zwergenwuchshunde gegründet. Auf ihrer Webseite gibt es einige Infos dazu, zum einen in niederländischer Sprache mit ein paar Fotos von verschiedenen Zwergen, aber auch in deutscher Sprache: Hunde mit Hypofysairer Zwergwuchs
Was ist hypophysärer Zwergenwuchs?
Beim Zwergenwuchs liegt eine Störung der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) vor, wodurch zu wenige Wachstumshormone produziert werden und der Hund sehr klein bleibt. Ein erwachsener zwergwüchsiger Saarloos sieht aus wie ein 8 Wochen alter Welpe. Die Hirnanhangsdrüse produziert auch andere Hormone, wie z.B. Prolaktin, Sexualhormone, Nebennierenrinden-stimulierendes Hormon, Schilddrüsen-stimulierendes Hormon. Daher kann es auch sein, daß ein betroffener Hund auch dahingehend zusätzliche Probleme hat, z.B. Probleme mit der Schilddrüse, der Läufigkeit oder Nierenprobleme. Die Lebenserwartung eines Zwerges ist sehr gering und beträgt meist maximal zwei bis vier Jahre, selten auch älter. Beim SWH ist ein Zwerg 8 Jahre alt geworden, dank der Besitzerin, die keine Mühen und Kosten scheute, um dem Hund ein lebenswertes Leben zu schenken.
Oftmals kann man einem Welpen nicht sofort ansehen, daß er ein Zwerg ist. Er ist meist nur etwas kleiner und im Vergleich zu seinen Geschwistern etwas zurückgeblieben. Erst im Alter von mehreren Wochen fällt dann augenscheinlich auf, daß etwas nicht stimmt.
Das Leben eines Zwerges ist sehr krankheitsbelastet. Es werden zum Beispiel zu wenig Sexualhormone produziert, so bekommt eine Hündin keinen Eisprung und ist quasi dauerläufig, was sehr belastend für die Hündin ist. Die Schilddrüse funktioniert nicht richtig, die Tiere leiden an extremem Haarverlust, an Nierenunterfunktion und Leberfunktionsstörungen. Die Gefahr eines Wasserkopfes (Hydrocephalus) ist gegeben, was zu Lähmungen führen kann.
Die Krankheit ist nur in geringem Maße behandelbar, man kann Wachstumshormone und Thyroxin verabreichen. Eine Heilung gibt es nicht.
Wie vererbt sich Hypophysärer Zwergenwuchs?
Hypophysärer Zwergenwuchs ist eine Erbkrankheit, welche sich wie PRA autosomal rezessiv vererbt. Das bedeutet, daß beide Elterntiere Träger eines defekten Gens sein müssen, um Nachkommen zu zeugen, die erkranken können. Bei einer solchen Verpaarung besteht die Wahrscheinlichkeit, daß 25% der Nachkommen erkranken, 25% frei vom Defektgen und 50% Träger des Defektgenes sind. Wenn nur ein Elternteil Träger ist, so können die Nachkommen mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% auch Träger der Krankheit sein, erkranken aber nicht. Wenn kein Elternteil Träger des Gens ist, so sind auch alle Nachkommen frei vom Defektgen und gesund. Den autosomal rezessiven Erbgang habe ich bereits zu Beginn dieses Artikels erläutert. Der Erbgang von PRA ist eins zu eins auf den Erbgang vom Zwergenwuchs übertragbar.
Wofür ist dieser Gentest gut und wer soll seinen Hund testen lassen?
Beim Gentest können Träger des defekten Gens eindeutig identifiziert werden.
Der Anteil an bekannten Zwergenwuchs Genträger (d.h. nicht betroffen!) beim SWH liegt etwa bei 15% (Stand 2017). Fast alle betroffenen Zwerge sterben schon im Mutterleib und werden resorbiert, kommen tot auf die Welt oder sterben in den ersten Lebenstagen. Es hat nur eine Hand voll Zwerge beim SWH überlebt, wobei mir nur insgesamt 9 bekannt sind. Der letzte mir bekannte Zwerg wurde im Jahr 2010 geboren, dürfte also auch nicht mehr am Leben sein.
Die hohe Sterblichkeitsrate führt zu kleinen Würfen und ist Ursache, daß auf dem Ultraschall mehr Welpen zu sehen waren, als geboren wurden. Dies kann man aber inzwischen effektiv verhindern, indem man beide Elterntiere auf das Defektgen testet und nur solche Verpaarungen vornimmt, bei denen keine betroffenen Nachkommen entstehen!
Für die Zucht des Saarlooswolfhondes ist es also sehr wichtig, daß alle Hunde, die zur Zucht eingesetzt werden sollen oder bereits eingesetzt werden, auf das Gen zu testen. Nur so kann die Krankheit eliminiert werden. Bei Hunden, die nicht für die Zucht verwendet werden, könnte man auf den Test verzichten, allerdings vergibt man damit eine wertvolle Chance, einen umfassenden Überblick über die Belastung der Gesamtpopulation mit dem defekten Gen zu bekommen.
Sind beide Elterntiere frei von dem defekten Gen, müssen die Nachkommen nicht unbedingt getestet werden, da sie automatisch auch frei sind.
Stellt sich heraus, daß ein Saarlooswolfhond Träger des Gens ist, kann er dennoch für die Zucht eingesetzt werden, vor allem, wenn er besondere Qualitäten hat oder vom Stammbaum her wichtig für die Zucht ist. Träger zu sein belastet den Hund nicht im geringsten, er ist kerngesund. Allerdings kann er die Krankheit vererben, darum darf ein Träger aufgrund des rezessiven Erbganges nur mit einem freien Hund (also keinem Träger) verpaart werden. Damit wird verhindert, daß die Nachkommen erkranken. Die Nachkommen einer solchen Verpaarung müssen vor einem Zuchteinsatz jedoch wiederum getestet werden, da es sein kann, daß darunter Träger sind.
Eine „Träger x Träger“ Verpaarung bringt mit einer Wahrscheinlichkeit von 25% erkrankte Nachkommen hervor, daher ist von solchen Verpaarungen dringend abzuraten!
Optimal ist natürlich eine Verpaarung zweier Tiere, die frei von dem Defektgen sind – denn so wird das Gen mehr und mehr zurückgedrängt, was das Ziel selektiver Zucht sein sollte.
Wo kann man testen lassen?
Den Gentest auf hypophysären Zwegenwuchs kann man bei Laboklin in Auftrag geben:
Zwergenwuch Gentest bei Laboklin